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Infrastruktur ausgelastet Warum das Neun-Euro-Ticket für den Norden eine Herausforderung ist

In wenigen Wochen soll das Neun-Euro-Ticket kommen. Die Verkehrsunternehmen im Norden haben jedoch kaum Spielraum, die Kapazitäten hochzufahren, wenn es einen Ansturm gibt. Es wird mit Engpässen gerechnet.
05.05.2022, 05:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Warum das Neun-Euro-Ticket für den Norden eine Herausforderung ist
Von Lisa Schröder

In vier Wochen soll das Neun-Euro-Ticket für den Regional- und Nahverkehr erhältlich sein. Die Verkehrsbetriebe können sich derzeit nur bedingt auf den Start vorbereiten. „Es ist noch nicht so viel geklärt, wie wir uns das wünschen würden“, sagt der Sprecher der Nordwestbahn, Steffen Högemann. Zugleich rechnet man unter anderem bei der Eisenbahngesellschaft Metronom mit „deutlichen Kapazitätsengpässen durch das erhöhte Fahrgastaufkommen“.

Neun-Euro-Ticket kommt – Wie groß wird der Ansturm auf den ÖPNV?

Wie viele Fahrgäste das vergünstigte Angebot nutzen werden? "Das ist ein Blick in die Glaskugel", sagt Högemann von der Nordwestbahn. "Es gibt kein vergleichbares Projekt." Das Unternehmen Metronom will ebenfalls keine genaue Prognose abgeben. In der Branche werde allgemein von einem Zuwachs der Fahrgastzahlen von 20 bis 40 Prozent ausgegangen. Auf Sylt machen sich Verantwortliche derweil bereits Sorgen, dass während der Aktionszeit viel mehr Fahrgäste auf der Strecke zwischen der Insel und Hamburg unterwegs sein werden. Im Sommer seien die Züge ebenso wie die Busse auf Sylt schon an der Kapazitätsgrenze.

Die Bremer Straßenbahn AG rechnet ebenfalls mit einem Anstieg der Fahrgastzahlen. Wegen der Aktion können die Sommer-Fahrpläne nicht kurzfristig angepasst werden. „Das kam zu spät für unsere Jahresplanung“, sagt Sprecher Andreas Holling. Im Gesamtnetz verzeichne man wegen der Pandemie noch 25 Prozent weniger Fahrgäste. Aber auf bestimmten Strecken gebe es zeitweise volle Busse und Bahnen.

Wird es längere oder mehr Züge geben?

Nordwestbahn und Metronom sehen kaum Spielraum, die Kapazitäten auszubauen, wenn die Nachfrage durch das günstige Angebot in den Monaten Juni, Juli und August steigt. "Mehr Wagen werden wir leider nicht an die Züge hängen können, das scheitert schon an der unzureichenden Länge der Bahnsteige", teilt die Sprecherin der Metronom mit. Die Fahrzeuge seien zudem alle im Einsatz und die Fahrpläne mit der Deutschen Bahn und anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen abgestimmt. "Wir können also nicht einfach zusätzliche Trassen einkaufen", so Fehsenfeld. Ohnehin gebe es keine zusätzlichen Gleiskapazitäten. "Die vorhandene Infrastruktur ist komplett ausgelastet."

Auf weitere Pendler im Berufsverkehr kann auch die Nordwestbahn kaum reagieren. Denn dafür fehlen die Züge sowie Fahrerinnen und Fahrer. Auf der Strecke Farge-Bremen seien die Züge schon heute recht voll. Die Infrastruktur in der Region gebe nicht wesentlich mehr Verkehr her, sagt Högemann. Zwischen Bremen und Bremerhaven sei die Schiene auch wegen des Güterverkehrs komplett ausgelastet: "Da geht gar nichts mehr." Am Wochenende bestehe durchaus noch Potenzial für weitere Kapazitäten.

Was plant die BSAG?

Die BSAG fährt aktuell weiterhin mit einem dünneren Fahrplan als sonst, weil wegen der Pandemie immer wieder Fahrer ausfallen. Im Sommer wird mit ähnlichen Kapazitäten geplant. "Das kam zu spät für unsere Jahresplanung", sagt Sprecher Holling. Es sei nicht möglich, an den Fahrplänen jetzt groß etwas umzustellen. Auf viel Nachfrage reagiert das Unternehmen punktuell mit Zusatzfahrten.

Wie schätzen die Verkehrsbetriebe das Neun-Euro-Ticket ein?

Grundsätzlich gibt es bei allen Akteuren die Hoffnung, dass das Ticket auch künftig zu einer höheren Nutzung des ÖPNV führt. "Natürlich freuen wir uns, wenn durch die Aktion noch mehr Menschen auf die klimafreundliche Alternative Eisenbahn umsteigen", sagt Metronom-Sprecherin Fehsenfeld. "Wir rechnen allerdings auch mit deutlichen Kapazitätsengpässen durch das erhöhte Fahrgastaufkommen." Inwieweit das Ticket nachhaltig Wirkung entfalten werde, bleibe abzuwarten.

"Das Neun-Euro-Ticket ist ein klares Signal, dass wir in Deutschland mutig die Mobilitätswende angehen, um einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten", teilt auch eine Sprecherin der Deutschen Bahn mit. Hier sieht man sich angesichts der Erneuerung der Fahrzeugflotte gut aufgestellt für die Aktion: "Weit über 700 neue und modernisierte Züge haben wir deutschlandweit im Regionalverkehr während der Pandemie an die Fahrgäste gebracht."

Högemann von der Nordwestbahn sieht jedoch für einen echten Mobilitätswandel noch Herausforderungen. Die bestehende Schieneninfrastruktur müsse verbessert und ausgebaut werden. Immer wieder sorgten heute Signal- oder Weichenstörungen dafür, dass der Fahrplan nicht eingehalten werden könne.

Wo wird man das Neun-Euro-Ticket kaufen können?

Die Monatskarte soll bei der BSAG in den Kundenzentren, an Automaten, in der App und bei Verkaufsstellen erhältlich sein sowie voraussichtlich auch direkt bei den Busfahrerinnen und Busfahrern. Die Bahn will den Verkauf unter anderem in ihrer App DB Navigator anbieten. Der Metronom will die Tickets ebenfalls an den Fahrkartenautomaten, in den Servicestellen in Bahnhöfen und in den Kundenzentren verkaufen. Dem Entlastungspaket müssten Bundestag und Bundesrat noch zustimmen, sagt Holling. "Wir gehen darum davon aus, dass das Ticket nicht vor Ende Mai zu verkaufen sein wird."

Wo soll das Neun-Euro-Ticket gelten?

Das Besondere am günstigen Ticket: Es gilt bundesweit im Nah- und Regionalverkehr. So kann die Fahrkarte im Norden etwa für den Ausflug ans Meer oder den Städtekurztrip nach Bremen, Hamburg oder Hannover eingesetzt werden, aber genauso beispielsweise auch in München, Leipzig oder Frankfurt.

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