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Bremens Verkehrssenatorin Maike Schaefer „E-Bikes brauchen eigene Fahrstreifen“

„Bremens Radinfrastruktur ist in der Vergangenheit nicht speziell auf E-Bikes ausgerichtet worden“, sagt Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne). Das soll sich durch viele Radprojekte und Fördermittel ändern.
31.01.2021, 19:17 Uhr
Lesedauer: 5 Min
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„E-Bikes brauchen eigene Fahrstreifen“
Von Pascal Faltermann

Was wird in Bremen zuerst geräumt: Der Schnee auf dem Radweg oder der auf der Straße? In Kopenhagen haben ja die Radfahrer Vorrang.

Maike Schaefer: Stimmt, die Fahrradfahrenden in Kopenhagen haben aber auch eigene, breite Fahrbahnen – sie fahren dort ja größtenteils direkt auf der Straße. Dementsprechend sind die Wege mit Räumfahrzeugen besser freizumachen. Bei uns sind die Radwege meist mit dem Bürgersteig zusammengelegt. Also werden in Bremen die Straßen zuerst geräumt.

Was sagen Sie, wenn Ihnen vorgeworfen wird, Sie tun zu wenig für den Radverkehr?

Ich widerspreche vehement. Wir sind laut ADFC Deutschlands fahrradfreundlichste Großstadt. Wir tun keineswegs zu wenig, die gesamten Planungen dauern allerdings oft ziemlich lange. Wir haben viele Projekte angefangen, vieles steht in den Startlöchern. Wir wollen die Martinistraße zurückbauen und deutlich für den Fahrradverkehr verbessern. Das wird gerade in den Verkehrsentwicklungsplan eingearbeitet, den wir auch in Sachen Fahrradverkehr novellieren und für 2030 fit machen. Insofern ist das in Arbeit und im Abstimmungsprozess mit den Beiräten. Wir arbeiten an genauen Zeitplänen für die Rad- und Fußgängerbrücken über die Weser, an der Premiumroute über den Wallring, an der Umgestaltung der Domsheide. 2020 haben wir die erste Fahrradzone Deutschlands in der Neustadt umgesetzt. An vielen Stellen sind neue und gut sichtbare Radwege entstanden, es kommen immer mehr Fahrradstraßen und Rad-Parkplätze hinzu. Wir arbeiten mit Volldampf daran.

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Dennoch: Hätte die Corona-Krise mit viel weniger Autoverkehr nicht besser für den Radverkehr genutzt werden können? Mit Straßensperren oder Pop-up-Bike-Lanes?

Berlin hat zu Beginn der Corona-Krise Pop-up-Bike-Lanes umgesetzt. Das ist eine andere Philosophie. Die eine Spur, die dort aus den vier Auto-Fahrstreifen rausgenommen wurde, war jedoch häufig dicht geparkt. Dann kassierten die Gerichte die Maßnahmen ein, was erst vor ein paar Wochen wieder aufgehoben wurde. Ehrlicherweise hat das dem Projekt und der Debatte eher geschadet. Ein paar orangefarbene Hütchen auf der Straße funktionieren auf die Dauer nicht wirklich gut, das hat eher Symbolcharakter. Wir wollen es in Bremen direkt richtig und nachhaltig machen, mit Protected Bike Lanes (geschützten Fahrradstreifen).

Sie hätten den Wall temporär sperren können, nachdem Sie vor einem halben Jahr angekündigt haben, dass er zur Einbahnstraße und Rad-Premiumroute wird.

Bei der Wallroute haben wir gesagt, dass wir sie zu einer Protected Bike Lane umwidmen wollen. Das lag schon recht lange auf Eis. Auch, weil es bisher nur wenig Personal in dem Bereich gab. Wir wollen Strecken wie den Wallring oder die Premiumrouten nachhaltig planen und gehen damit einen konsequenteren Weg.

Warum haben Sie im Lockdown nicht einfach mal den Sielwall oder den Ostertorsteinweg für Autos dicht gemacht?

Wir arbeiten an langfristigen Lösungen. Beim Sielwall wollen wir beispielsweise eine Einbahnstraßenregelung umsetzen, um mehr Platz für den Radverkehr zu schaffen.

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Warum ist die Rad-Premiumroute von der City nach Bremen-Nord noch nicht weiter?

Auch dort laufen noch Abstimmungsprozesse mit den Menschen in den Stadtteilen. Das ist wichtig, weil es am Ende auch eine Route sein soll, die von den Bremern vor Ort genutzt wird. Durch den Grünzug West bis Lesum zu kommen, ist relativ entspannt. Ab dem Lesumsperrwerk an der Lesum entlang in Vegesack und Blumenthal gibt es aber etliche schmale Straßen, an denen kleine Häuser stehen und an der anderen Seite der Deich. Da braucht es gute Lösungen, um mehr Platz für Radfahrende zu schaffen.

Aber warum dauert das alles so lange?

Die Träger öffentlicher Belange müssen in einem Verfahren angehört werden. Wir sind an gesetzliche Vorschriften, zum Beispiel auch bei Vergabeverfahren, gebunden. Deswegen dauert es länger, selbst wenn man mit Hochdruck daran arbeitet. Das gehört zum demokratischen Prozess dazu. Und es ist natürlich auch eine Finanzierungsfrage: Die Bundesmittel gibt es nur für Teil-Abschnitte, das war beim Ringschluss der A 281 genauso. Besser wäre es natürlich, wenn die Premiumrouten komplett durchfinanziert wären – das liegt nur nicht immer in unserer Hand.

Also könnte es etwas schneller laufen?

Klar wünsche ich mir, dass es viel schneller geht. Es wäre schön, wenn die Fußgänger- und Radbrücken über die Weser schon stünden. Das würde viele Menschen, die von links der Weser kommen, entlasten. Jetzt drängen sie sich auf der Wilhelm-Kaisen-Brücke. Aber so schnell ist eine Brücke leider auch nicht gebaut. Wir arbeiten weiter mit Hochdruck daran, weil wir die Bedarfe sehen.

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Wie soll sich das ändern?

Wir stellen gerade 13 neue Beschäftigte beim ASV und in der Verkehrsbehörde ein, die planen und sich um diese Projekte kümmern werden. Für den Bereich Radverkehr hatten wir bisher zu wenig Personal. Wenn man sagt, in den vergangenen Jahren ist nicht genug gemacht worden, liegt das auch an unseren höheren Ansprüchen jetzt. Aber klar, es gibt immer Luft nach oben.

Heißt das zusammengefasst, dass Bremens Rad-Infrastruktur für die steigende Zahl der Pedelecs und E-Bikes derzeit nicht ausreicht?

Die Radinfrastruktur ist in der Vergangenheit nicht speziell auf E-Bikes und Pedelecs ausgerichtet worden. E-Bikes und Pedelecs sind wesentlich schneller und brauchen eigene Fahrstreifen. Denn je mehr Pedelec-Fahrende wir haben, desto mehr Überholvorgänge gibt es. Dafür braucht es Platz. Das ist übrigens auch ein Nebeneffekt der Corona-Pandemie, dass ganz viele Menschen aufs Fahrrad umgestiegen sind. Das bekommt man auch in den Fahrrad-Werkstätten und beim Rad-Kauf mit. Der Run auf Fahrräder ist für uns ein Ansporn, die Infrastruktur noch fahrradfreundlicher zu machen. Wichtig ist, dass wir künftig den Fahrradverkehr immer berücksichtigen, wenn wir Quartiere entwickeln. Das hat zum Beispiel beim Ellener Hof super geklappt.

Fehlt es nicht an Ladestationen für E-Bikes?

Viele laden ihr E-Bike am Arbeitsplatz oder Zuhause auf. Wir müssen schauen, wo es Sinn ergibt. Bei touristischen Radrouten vielleicht, oder es wäre zu überlegen, ob Restaurants und Cafés Ladestationen anbieten könnten. Bislang gibt es allerdings keinen massiven Bedarf an externen Ladestationen. Dringender werden Stellplätze für Lastenräder und Fahrradanhänger benötigt.

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Für den Bau neuer Radwege können Länder und Kommunen über das Förderprogramm „Stadt und Land“ des Bundesverkehrsministeriums Gelder abrufen. Bis 2023 stehen bundesweit bis zu 660 Millionen Euro für eine bessere Radverkehrsinfrastruktur zur Verfügung. Was holt sich Bremen davon?

Bremen bekommt durch den hohen Radverkehrsanteil verhältnismäßig viel Geld. In diesem Jahr erhalten wir als Bundesland voraussichtlich 5,8 Millionen Euro, in den Jahren 2022 und 2023 jeweils rund 7,1 Millionen Euro.

Was wird damit finanziert?

Wir wollen den Bereich „Bike and Ride“ erweitern und Fahrradgaragen in der Innenstadt bauen. Das sollen vor allem Tiefgaragen sein, wofür wir gerade Flächen in der Nähe des Bahnhofs suchen. Zudem sollen Kreuzungen und Ampelschaltungen für den Radverkehr verbessert werden und ein Teil geht in die Rad-Premiumrouten sowie die Weserbrücken. Gerade für die Brücken erhoffen wir uns Bundesmittel von bis zu 90 Prozent, damit Bremen nur zehn Prozent zahlen muss.

Das Gespräch führte Pascal Faltermann.

Info

Zur Person

Maike Schaefer (49) ist seit August 2019 Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau. Zuvor war sie vier Jahre lang Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bürgerschaft.

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