Priorität für die Schiene! Nächste Bundesregierung muss Tempo machen

Die drei Kernforderungen der Bahnverbände im Wahljahr 2021: Infrastruktur ausbauen, Schiene konsequent digitalisieren, Verkehrswende forcieren

Mit ihrem gemeinsamen Papier zeigen die Bahnverbände auf, wie Deutschland die ehrgeizigen Ziele für die Schiene in diesem Jahrzehnt erreichen kann.

Berlin, 21. Januar 2021. Die acht Bahnverbände haben zu Beginn des Wahljahrs 2021 ihre drei wichtigsten Forderungen an die Politik präsentiert. Die nächste Bundesregierung muss die Infrastruktur für den Deutschlandtakt ausbauen, die Digitalisierung der Schiene vorantreiben und die Verkehrswende forcieren, heißt es in einem gemeinsamen Papier der Verbände zur Bundestagswahl. Darin erkennt die Schienenbranche an, dass die amtierende schwarz-rote Koalition die finanziellen Mittel für den Eisenbahnsektor aufgestockt hat. Doch die künftige Bundesregierung muss das Tempo erhöhen und der Schiene Priorität einräumen.

In den vergangenen vier Jahren habe sich viel getan, betonen Allianz pro Schiene, BAG SPNV, Mofair, NEE, VCD, Verband der Bahnindustrie, VDV und VPI in ihrem Papier. Mittlerweile gibt es einen „Masterplan Schienengüterverkehr“, einen „Masterplan Schienenverkehr“ und einen „Zielfahrplan Deutschlandtakt 2030“. Von überragender Bedeutung ist das Klimaschutzprogramm 2030, das nur mit mehr Schienenverkehr gelingen kann. Die acht Bahnverbände pochen nun auf Umsetzung der Zusagen. Bundesregierung und Bundestag haben bereits in dieser Legislatur das Ziel formuliert, in diesem Jahrzehnt die Zahl der Fahrgäste im Nah- und Fernverkehr zu verdoppeln und den Marktanteil des Schienengüterverkehrs auf mindestens 25 Prozent zu erhöhen. Dafür muss die nächste Bundesregierung an drei Punkten ansetzen.

Infrastruktur ausbauen

Der Schlüssel für eine erfolgreiche Schienenpolitik liegt in einem Ausbau der Schieneninfrastruktur. Für einen Deutschlandtakt und eine leistungsfähigere Schieneninfrastruktur sind vier Dinge wichtig.

  • Der Bund muss die Mittel für den Neu- und Ausbau des Schienennetzes spätestens ab Mitte der Legislaturperiode auf mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr erhöhen.
  • Ausbau und Modernisierung der Schieneninfrastruktur müssen finanziell langfristig abgesichert sein, so wie es der Erhalt des Netzes bereits ist. Dafür eignet sich ein staatlicher Bahninfrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild.
  • Bund und Branche müssen auf dem Weg zum Deutschlandtakt Zwischenschritte mit konkreten Angebotsverbesserungen definieren. Für jede einzelne Etappe muss der Bund den nötigen Infrastrukturausbau finanziell absichern.
  • Auch die Eisenbahninfrastruktur, die sich nicht im Bundesbesitz befindet, benötigt eine stärkere Förderung. Nur so ist es möglich, die Verbindung zu den Kunden in der Fläche (die „letzte Meile“) attraktiv zu gestalten. 

Bahnsystem digitalisieren

Sowohl der Bahnbetrieb als auch die Infrastruktur werden durch Digitalisierung leistungsfähiger und zuverlässiger. Dabei geht es insbesondere um vier Weichenstellungen.

  • Deutschland muss in einem finanziellen und organisatorischen Kraftakt das gesamte Bundesschienennetz bis 2035 digitalisieren.
  • Die Schlüsseltechnologie für mehr Effizienz im Schienengüterverkehr heißt Digitale Automatische Kupplung (DAK). Die Umrüstung der europaweit 450.000 Güterwagen in dieser Dekade kostet mehr als acht Milliarden Euro. Für diese Herkulesaufgabe brauchen die Unternehmen eine finanzielle Unterstützung vom Bund und der EU.
  • Für einen verbraucherfreundlichen öffentlichen Verkehr müssen durchgehende Tickets von Tür zu Tür die Regel werden. Dazu gehören branchenweite Informationen über Fahrpläne aller Anbieter in Echtzeit und über moderne Features wie Auslastungsdaten.
  • Der Bund muss mehr Anreize für Innovationen setzen, etwa durch eine Aufstockung des „Bundesprogramms Zukunft Schienengüterverkehr“ und einen Innnovationsbonus für Investitionen in digitale, emissionsfreie Technologien.

Verkehrswende forcieren

Mit einem substanziell höheren Marktanteil der Schiene kommt Deutschland beim Klimaschutz voran. Mehr Verkehr auf der Schiene bedeutet mehr Lebensqualität für alle: weniger Staus, weniger Abgasen, weniger Flächenverbrauch und weniger Verkehrsopfer. Drei Dinge sind für eine Verkehrswende dringend erforderlich. 

  • Der Bund muss sich wieder Gestaltungsspielraum beim Einsatz der Lkw-Mauteinnahmen verschaffen. Also weg vom Prinzip „Straße finanziert nur Straße“, hin zum Grundsatz „Verkehr finanziert Verkehr“. Mit dem Aufkommen aus der Lkw-Maut, mit dem Abbau umweltschädlicher Subventionen und mit CO2-Abgaben lässt sich das höhere Tempo bei der Verkehrswende finanzieren.
  • Die Schiene muss beim Neu- und Ausbau von Verkehrsinfrastruktur Priorität im Bundeshaushalt bekommen und mindestens zwei Drittel dieses Etats erhalten.
  • Für eine Verkehrswende bedarf es zusätzlich einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen. Dafür gilt es, die Bahnen von der Stromsteuer zu befreien, die EEG-Umlage für elektrisch betriebene Züge zu senken, einen Rahmen für zukunftsfähige Einzelwagenverkehre zu setzen und die Entgelte für die Infrastrukturnutzung im Personen- und Güterverkehr dauerhaft zu reduzieren. Gebühren, die als Sonderlast nur den Eisenbahnsektor treffen, müssen abgeschafft werden.

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Zitate

Dirk Flege, Geschäftsführer Allianz pro Schiene:

Keine Verkehrswende ohne Politikwende. Bislang hat der Bund alle Verkehrsarten gefördert, egal ob umweltfreundlich oder nicht. Die nächste Bundesregierung muss der klimaschonenden Schiene Vorfahrt vor anderen Verkehrsträgern geben. Dazu gehören Mut und Entschlossenheit. Aber nur mit dieser Prioritätensetzung kann Deutschland seine Klimaverpflichtungen im Verkehr erfüllen.

Frank Zerban, Hauptgeschäftsführer BAG-SPNV:

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir das Verkehrsangebot der Eisenbahn deutlich ausweiten. Dies können wir jedoch erst umsetzen, wenn die Engpässe bei Schienenstrecken und in Bahnhöfen beseitigt und der Deutschlandtakt eingeführt wurden. Daher fordern wir, dass der Bund für Neu- und Ausbau jährlich mindestens drei Milliarden Euro bereitstellt.

Dr. Matthias Stoffregen, Geschäftsführer Mofair:

Für eine echte Verkehrswende müssen wir die bisher getrennten Finanzierungskreisläufe für Straße und Schiene miteinander verbinden: Verkehr finanziert Verkehr. Ein Infrastrukturfonds wird dann mit Einnahmen aus der Autobahnmaut und anderen Abgaben auf klimaschädliche Verkehre gespeist und kann diese Mittel für Schienenprojekte einsetzen.

Peter Westenberger, Geschäftsführer NEE:

Das Parlament muss mit einem Infrastrukturfonds-Gesetz die Bundesgelder für Neu- und Ausbauten im Schienennetz langfristig verlässlich bereitstellen. Die Schweiz nutzt dieses durch mehrere Volkabstimmungen bestätigte Prinzip für ihre erfolgreiche Eisenbahnpolitik seit 1987. Nur so kommen wir weg von der bisherigen Stop-and-Go-Finanzierung wichtiger Zukunftsprojekte.

Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende ökologischer Verkehrsclub VCD:

Die Schiene ist das Rückgrat der Verkehrswende. Ausbau und Digitalisierung des Bahnsystems müssen oberste Priorität haben. Wir fordern: Mindestens zwei Drittel der Investitionen in Verkehrsinfrastruktur müssen in das Schienennetz fließen. So verlagern wir Verkehr weg von der Straße: für mehr Umweltweltschutz und weniger Staus und Verkehrsopfer.

Dr. Ben Möbius, Hauptgeschäftsführer VDB:

Schiene 4.0 spielt eine Schlüsselrolle für den Klimaschutz, die Menschen und den Re-Start unserer Wirtschaft. 2021 muss es mit Schub weitergehen: Digitalisierung, Forschungsförderung, fairer Wettbewerb, Innovationsbonus in Vergaben. Der Schulterschluss der Verbände demonstriert: Der Sektor ist bereit für eine neue Ära emissionsfreier Mobilität.

Ingo Wortmann, Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV):

Deutschland braucht angesichts zunehmender klimapolitischer Herausforderungen eine starke Eisenbahn. Der Grundstein dafür wurde in dieser Legislaturperiode durch wichtige Entscheidungen des Bundes gelegt. Dies ist auch ein Verdienst der gemeinsamen Positionierung der acht Eisenbahnverbände, die auf Initiative des VDV erstmals drei Kernforderungen für den gesamten Sektor präsentiert haben: Einführung des Deutschland-Takts, Halbierung der Trassenpreise und ein nationales Forschungsprogramm. Auch bei anderen Branchenforderungen wie der Vereinfachung des Planungsrechtes und der Überarbeitung der Standardisierten Bewertung sind wir deutlich vorangekommen. Diesen Weg müssen wir gemeinsam mit der Politik weitergehen.

Malte Lawrenz, Vorsitzender des VPI

Die Bundesregierung hat in puncto Digitaler Automatischer Kupplung Engagement gezeigt. Das muss auch in der kommenden Legislatur so bleiben, denn die DAK stellt die Weichen für einen wettbewerbsfähigen Schienengüterverkehr. 2023 soll der Migrationsprozess beginnen, spätestens dann müssen Berlin und Brüssel die finanziellen Mittel für die nötigen Förderprogramme bereitstellen

 

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Wortlaut des Beitrags von Dirk Flege:

Programmatisch hat die aktuelle Bundesregierung mit dem Masterplan Schienenverkehr das Fundament für mehr Bahnverkehr gelegt. Die nächste Bundesregierung muss ihn mit Leben füllen.

Wir erwarten, dass die vollständige und dauerhafte Umsetzung des Masterplans Schienenverkehr im Herbst in der Koalitionsvereinbarung steht.

Stichwort „dauerhaft“. Die Bahnpolitik der kommenden Bundesregierung muss sich durch Langfristigkeit auszeichnen. Zwar gibt es für das bestehende Schienennetz eine langfristige Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und Deutscher Bahn, aber der Neu- und Ausbau des Schienennetzes wird nach wie vor jährlich neu debattiert. Wir Bahnverbände fordern auch für den Neu- und Ausbau des Schienennetzes mehrjährige Finanzierungssicherheit und zwar über einen Infrastrukturfonds.

Die nächste Bundesregierung muss nicht nur deutlich langfristiger agieren, sie muss sich verkehrspolitisch auch ehrlich machen. Alle Verkehrsträger gleichermaßen mit der Gießkanne finanziell zu wässern, führt nicht zu einer Verkehrswende. Wir brauchen eine Verkehrspolitik, die verkehrsträgerübergreifend denkt und handelt. Geschlossene Finanzierungskreisläufe, die den Bund zwingen, mit Lkw-Mauteinnahmen ausschließlich neue Autobahnen und Bundesstraßen zu bauen, sind völlig aus der Zeit gefallen. Auch Lkw-Mauteinnahmen müssen dafür verwendet werden, umweltfreundliche Alternativen wie die Güterbahn zu stärken. Mindestens 2/3 des Bundesgeldes für den Neu- und Ausbau von Verkehrsinfrastruktur müssen in die Schiene fließen.

Keine Verkehrswende ohne Politikwende. Bislang hat der Bund alle Verkehrsarten gefördert, egal ob umweltfreundlich oder nicht. Die nächste Bundesregierung muss der klimaschonenden Schiene Vorfahrt vor anderen Verkehrsträgern geben. Nur mit dieser Prioritätensetzung kann Deutschland seine Klimaverpflichtungen im Verkehr erfüllen.